Gelesen auf salsaplus.de
- Orishas:El Kilo (24.02.2005)
Na endlich, viele dachten schon, die Orishas wären es im Strudel der Kuba-Hysterie leid geworden, Kubaner zu sein und wären verstummt.



Ihr Neuling "El Kilo" belehrt uns eines Besseren. Erst letztes Jahr waren die in Frankreich lebenden Rap-Cubano-Musiker mit einem Latin Grammy ausgezeichnet worden (was in den USA gut funktioniert, wenn man nur laut genug über Castro schimpft), ihr fantastisches Album "A Lo Cubano" und der etwas schwächere Nachfolger "Emigrante" machten spanischsprachige Hiphop in der ganzen Welt populär.

"El Kilo" nun ist das berühmte riskante dritte Album, aber die Orishas meistern die schwere Prüfung mit Routine und Mut. Nachdem "Emigrante" sich mehr am den Sound der USA und Europa orientierte und werkimmanent häufige Eigenzitate verwendeten, wurde "El Kilo" ein geradezu überschäumendes Sammelsurium an Ideen, Einflüssen und Originalklängen.

Da umarmt der Son den Bolero, der US-HipHop die R‘‘n‘‘B-Ballade, die Seventies-Hammond den Kitschheimer Juan Luis Guerra und über allem zwingt ein tiefer, sexy Salsa-Beat den Hörer regelrecht aus dem Sessel. Mal klingen die Orishas nach Manu Chaos humorigen Andenklängen, dann wieder verquirlen sie einen kolumbianischen Cumbia mit endcoolem Mambo, mischen Vallenato mit Bigbandbläsern und lassen diese herrlich altmodischen, lustigen südamerikanischen Männerchören wieder aufleben, die scheinbar mit zugehaltenen Nasen quäken.

Dazu packen sie dann ein Brett an Hochgeschwindigkeitsrap, der einem die Tränen in die Augen treibt. Da rasseln die Maracas und treibend triolierend die Timbales, da wummern die Congas, da schwillt stolz die spanische Brust der iberischen und zuckt die Hüfte der afrikanischen Urväter. Es tanzt das Bein und schüttelt sich die Schulter, und wer bei der neuen Orishas-Hymne, dem Opener "Naci Orishas" noch sitzt, ist entweder gelähmt oder tot.

Die Texte der Orishas, die mehr gesungen und weniger gerappt werden, sind nicht unbedingt etwas für überzeugte Kommunisten, denn aus jedem Lied haucht die Kritik am kubanischen System, werden Inflation, Jugendprostitution, Armut im Kuba angeprangert, aber das ist uns natürlich lieber als Herz, Schmerz und Liebe oder auch Knarren, Pimps und Bandenkriege. In 25 Ländern wird das Album veröffentlicht und der nächste Grammy dürfte Roldan, Yotuel, Ruzzo und ihren Producern Niko und (neu) Andrés Levin eigentlich sicher sein.